Wohnort:          Freiburg

Sohn von:        Josef und Simone

Alter:                 52 Jahre

 Sie sind in Jaun aufgewachsen?

   Ja, bis ich zwölf Jahre alt war, haben wir in Jaun gewohnt. Ich bin im Haus von Jules Rauber im zweiten Stock zur Welt gekommen. Mein Vater ist leider im Alter von 42 Jahren gestorben. Ich erinnere mich noch sehr gut, zwei Tage nachdem mein Vater gestorben ist, weinte meine Mutter in der Küche, da sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Damals gab es zwar eine kleine Rente, aber das reichte nicht. Für meine Mutter war es unvorstellbar, vom Sozialamt zu leben. Sie war eine Kämpferin! Deshalb beschloss sie, meine Geschwister und mich bei Onkeln und Tanten von uns unterzubringen. Während 6 Monaten besuchte sie den Wirtekurs in Genf.

Sie hatte sehr viel Mut, denn in jener Zeit war die Rolle der Frau sehr klar – sie gehörte ins Haus an den Herd. Sie setzte sich durch und übernahm das „Buffet de la Gare“ in Le Pâquier.

Erinnern Sie sich an die Zeit, als Ihr Vater das Echo vom Bäderhorn gründete?

   Ich erinnere mich nicht, als mein Vater das Echo gründete, da ich noch nicht geboren war. Aber ich erinnere mich sehr gut an die Freude, die wir hatten, wenn unser Vater uns erlaubte die Kurbel der Druckmaschine zu drehen um das Echo zu vervielfältigen. Es war eine Druckmaschine mit Tinte. Man musste den Text mit der mechanischen Schreibmaschine auf ein spezielles Blatt schreiben. Die Buchstaben durchstanzten komplett das Blatt. Dieses Blatt wurde dann auf dem Zylinder der Druckmaschine aufgezogen. Mit jeder Umdrehung der Kurbel wurde ein Blatt gepresst, und die Tinte durch die Buchstabenlöcher gejagt. So wurde das Echo fabriziert. Am Donnerstag Nachmittag gingen wir, meine Schwester Rose-Marie und ich das Echo im Dorf vertragen.

Was war eigentlich der Grund, weshalb ihr Vater das Echo gründete?

   Mein Vater stammte aus einer Kleinbauernfamilie. Damals war es Brauch, dass ein Sohn Pfarrer werden sollte. Ein Onkel von ihm war Pfarrer, soweit ich mich erinnere, und dieser Onkel bezahlte meinem Vater das Kollegium. Als mein Vater das Studium beendete, wollte er nicht mehr Pfarrer werden. Mein Vater hat sich daraufhin sehr im Dorf engagiert. Er gründete zum Beispiel den Heimatschutz in Jaun. Er kämpfte dafür, das die alte Kirche erhalten bleibe. Es stellte sich damals die Frage, ob man sie stehen lassen will oder nicht. Zudem war er Seckelmeister, Gemeindeschreiber, Landschreiber und dirigierte die Musikgesellschaft und war nebenbei noch Sektionschef. Zu alledem war er auch noch Korrespondent für die Zeitungen „La Liberté“ und „La Gruyère“ und die „Freiburger Nachrichten“. Um Ihre Frage zu beantworten, muss ich sagen, dass ich nicht genau weiss, wie mein Vater auf die Idee der Gründung des Echos kam. Aber sein Lebensverlauf zeigt, dass er seine gesamte Energie einsetzte, um das soziale Leben seines Dorfes zu verbessern. Das Echo wurde sicher in diesem Sinn gegründet.

Und trotz der wichtigen Rolle, die ihr Vater spielte, mussten sie Jaun verlassen?

   Leider ja. Er hat wohl sehr viel für das Dorf gemacht, aber reich wurde er dabei nicht. Aber ich kann sagen, dass es seine Wahl war. Er war glücklich mit seinen Leuten, er liebte seine Heimat sehr.

Meine Mutter stammte aus La Roche, sie kam aus einer Wirtefamilie. Deshalb lag es für sie nahe, ins Gastgewerbe zurückzukehren.

1961 haben wir Jaun verlassen und gingen nach Le Pâquier.

Sind Sie je nach Jaun zurückgekommen?

   Ja, sehr oft. Im ersten Sommer, als wir fortzogen ging ich zu meinem Onkel Othmar im Höfli arbeiten. Als ich 18 Jahre alt war, hatte ich eine Lambretta und da kam ich regelmässig nach Jaun zum Skifahren oder wandern. Ich war oft mit meinem Cousin Heinu zusammen. Auch heute komme ich immer noch gerne und oft herauf. Meistens gehe ich in die Berge.

Was machten Sie nach der Schulzeit?

   Ich wollte immer Koch lernen. Während der Schulzeit in Le Pâquier mussten wir über Mittag immer zu Hause helfen. Wir hatten immer die Arbeiter von der Firma Jean Pasquier, das bedeutete immer so an die 20 bis 25 Mittagessen, ich war der Chef der Fritiermaschine... danach kam noch der Abwasch, und wir mussten zurück zur Schule. Ich muss sagen, dass mir die Küchenarbeit sehr gut gefiel.

Meine Mutter hatte einen Bekannten, der war Berufsberater. In jener Zeit war es so, dass ein Mangel an Tiefbauzeichnern herrschte, und dieser Bekannte überzeugte mich, dass dies der einzig wahre Beruf für mich sei. Also machte ich meine Lehre in Bulle. Ich habe meine Lehre abgeschlossen, wusste aber, dass ich das nicht für immer machen wollte, mich zog es in die dritte Welt.

Dazu benötigte ich aber einen Beruf, der mir helfen würde, also machte ich die Ingenieursschule in Freiburg. Danach arbeitete ich zwei Jahre in Basel – hauptsächlich um wieder deutsch zu lernen. Dort habe ich geheiratet. In Basel hat es mir nicht sehr gut gefallen, ich hatte Heimweh nach den Bergen und dem Dorfleben.

Damals machte ich bei der Gruppe „Frères sans Frontières“ (Katholische Entwicklungsorganisation) mit. Wir hatten ein Projekt in Kolumbien, ich sollte in die Slums Bogotas gehen, um im Gebiet der Wasserversorgung zu arbeiten. Ich hatte schon meine Arbeit gekündigt, und leider klappte es dann nicht. Also kam ich 1973 zurück nach Le Pâquier. Damals war es wirklich nicht schwierig, Arbeit zu finden. Drei Wochen später habe ich in Genf angefangen zu arbeiten.

Haben Sie es bedauert, nicht nach Kolumbien zu gehen?

   Ja schon. Aber in Genf machte ich noch immer bei derselben Gruppe „Frères sans Frontières“ mit. In Genf war es aber viel politischer. Wir haben uns „Linke Christen“ genannt... Ich habe mich sehr für die Freiheitsbewegung engagiert. Es gab die Portugiesischen Kolonien wie Angola, Mosambik, Guinee-Bisau in Afrika und Goa, Macao und Timor-Ost in Asien. 1974 gab es in Portugal die Ösen-Revolution, diese war der Auslöser für die Unabhängigkeit der Portugiesischen Afrika-Kolonien 1975.

Ich kannte in Genf den Vertreter von der Mosambikanerischen Befreiungsbewegung (FRELIMO) für die Schweiz. Nach der Unabhängigkeit wurde er Gesundheitsminister vom neuen Staat. Ich nahm Kontakt mit ihm auf, und er gab uns, meiner damaligen Frau und mir die Gelegenheit, nach Mosambik arbeiten zu gehen. So gingen wir im Januar 1976 nach Mosambik.

Was haben Sie in Mocambique gemacht?

   Meine damalige Frau und ich haben während vier Jahren dort gearbeitet. Meine Frau war Kinderkrankenschwester, sie hat in Krippen gearbeitet.

Ich habe als Ingenieur vor allem für die Wasserversorgung gearbeitet. Während zwei Jahren blieb ich in der Hauptstadt Maputo um alles vorzubereiten. Die koloniale Regierung hat für die Bauern und die ländlichen Regionen überhaupt nichts gemacht, nur für die Stadt. Unsere Aufgabe war es, Wasser und Brunnen aufs Land zu bringen. Wir gründeten Brigaden für die 10 Provinzen des Landes. Die Aufgabe bestand darin, alles auszurechnen und zu organisieren, was wo wie viel benötigt wird.

Wer hat das alles finanziert?

   Ich war Angestellter vom Staat Mocambique, mit einem Arbeitsvertrag und allem drum und dran. Wir haben aber vor allem mit der UNO und der UNICEF gearbeitet, die auch das Geld zur Verfügung stellten.

Nach zwei Jahren, nachdem alles organisiert war, stellte ich den Antrag, um in eine Provinz arbeiten zu gehen, und so kam ich nach Sambesia. Ich war Provinz-Verantwortlicher für das Wasser.

Aber wie muss man sich das vorstellen – gingen Sie da hin, und bohrten nach Wasser und gingen danach weiter in den nächsten Ort?

   Das war sehr interessant – das damalige Regime von Mosambik hatte eine interessante Entwicklungspolitik für die Bauern. Das Hauptproblem der Hilfe für die Bauern war dass sie zerstreut im ganzen Land lebten und es war schwierig eine soziale Infrastruktur für sie zu bauen. Um helfen zu können, hat die Regierung den Bauern vorgeschlagen, in Dörfern zu leben, damit man ihnen eine Schule, ein Gesundheitszentrum, Brunnen und ein Landwirtschaftliches Zentrum bauen kann, und zugleich bestand so die Möglichkeit, landwirtschaftliche Maschinen wie zum Beispiel ein Traktor und so weiter zu erhalten.

Zuerst mussten also die Provinzverantwortlichen von der Landwirtschaft, der Gesundheit und der Dorfvereinigung in Versammlungen mit den Bauern, die interessiert waren ein Dorf zu gründen, begleiten. Meine Aufgabe war es zu schauen, ob es Wasser im Untergrund gab, und in einer Tiefe die es ermöglichte, Brunnen oder Bohrungen zu machen.

Wenn es möglich war zum Beispiel einen Brunnen zu bauen, erklärten wir den Bauern dass wir ihnen 2 Maurer und das Material zur Verfügung stellen können, sie aber aktiv mitarbeiten müssen. Wir haben sie gefragt, ob sie einen Brunnen zu diesen Bedingungen machen wollten, und die Antwort war natürlich immer, ja klar!

Wir fragten dann, ob sie Backsteine machen können, und ob es Sand in der Nähe gäbe, um Zementblöcke zu fertigen. Ein Beispiel: Wenn die Bauern Zementblöcke anfertigen konnten, was oft der Fall war, dann verlangten wir von ihnen, dass sie X Backsteine anfertigten, und dass wir in einem Monat wieder kommen würden, und dass die Steine dann fertig sein müssen.

Hatten die Bauern also die Steine gemacht, halfen wir Ihnen, denn dies zeigte uns, dass sie grosses Interesse hatten. So haben wir mit den Bauern gearbeitet.

Für die Provinz Sambesia hatten wir 4 Brigaden mit 2 Maurern um die Brunnen zu machen, und eine Brigade von 2 Maurern, um Bohrungen auszuführen.

Was geschah den mit den portugiesischen Siedlern, mussten die ihr Land verlassen?

   Sie hatten die freie Wahl, sie konnten die Mosambikahnische Nationalität annehmen, oder Portugiesisch bleiben und ohne weiteres im Land bleiben. Einige blieben, andere wollten gehen. Es gab eigentlich keine Probleme wie letztes Jahr in Zimbabwe. Die Portugiesen haben sich mit den Eingeborenen vermischt, es gibt viele Mestizen. Die Portugiesen waren zum grössten Teil keine Rassisten, wie zum Beispiel die Engländer oder Holländer in Südafrika, oder die Engländer in Rhodesien (heute Zimbabwe). Deshalb ging es wohl gut.

Nahmen Sie ihre Frau zu den Siedlern mit?

   Nein, sie blieb in der Stadt. Das ging leider nicht so gut, ich habe sie oft zu lange alleine gelassen. Wir haben uns dann auch getrennt, als wir in die Schweiz zurückkamen.

Weshalb kamen Sie zurück?

   Im Februar 1980 kam ich zurück. Es war furchtbar. Ich war krank und musste deshalb zurück. Ich hatte keine Arbeit, es war ein kalter Winter und die Sonne und das Licht von Afrika fehlten mir sehr.

Finanziell ging es auch sehr schlecht, denn ich verdiente in Mocambique nur Fr. 700.— im Monat, da ich meine Tätigkeit doch eher als Missionar sah.

Ich hatte also gar nichts, und ein Freund gab mir Stundenweise Arbeit. Danach fand ich in Marly in einem Ingenieurbüro eine Stelle, wo ich bis 1985 blieb. Es folgten 6 Monate beim Staat, aber das gefiel mir überhaupt nicht. Danach machte ich mich selbstständig - in La Roche eröffnete ich ein Ingenieurbüro, da ich dachte, dass ich mehr Zeit haben würde... Was natürlich nicht der Fall war. Dazu kam, dass ich gerne die Technik hatte, aber die Geschäftsführung interessierte mich nicht so sehr. Aber ich habe es immerhin während 3,5 Jahren gemacht.

Danach ging ich 1989 nach Lausanne zu den SBB, ins Brückendepartement. Ich wollte schon immer Brücken bauen, und da fand ich dann eine Arbeit, die mir wirklich gefällt. Dort bin ich heute noch.

Sie haben wieder geheiratet?

   Ja, ich lernte meine Frau an der Hochzeit eines Freundes kennen. Sie ist Afrikanerin, aus Kamerun. Sie besuchte in Freiburg die Universität. Als wir beschlossen zu heiraten, war sie einverstanden und der Bedingung, dass wir nach Kamerun zurückkehren.

Wir haben 1989 geheiratet. Anfangs der neunziger Jahre hat sich die Ökonomische und Politische Situation in Kamerun scharf degradiert, und da war es viel zu gefährlich für mich nach Kamerun zu gehen, da ich Weiss bin. Weiss heisst dort viel Geld, und mit der heutigen Armut ist man mit 100 Franken im Sack in Lebensgefahr. Also helfen wir von hier aus, so weit es geht.

Leider ist vor 5 Jahren der Bruder meiner Frau gestorben und hinterliess drei Waisenkinder im Alter von 7, 9 und 11 Jahren. Wir beschlossen also, die Kinder zu uns in die Schweiz zu nehmen. Der jüngste ist dann leider nach 14 Monaten gestorben. Er war krank, die Ärzte mit all ihrem Wissen und gutem Willen konnten ihn nicht retten. Alice ist heute 16 Jahre, und Paul 14 Jahre alt und gehen hier zur Schule.

Die Zeit vergeht leider viel zu schnell ! Mit wem soll es weitergehen?

Ich habe festgestellt, dass die Frauen in der Stafette nicht sehr gut vertreten sind. Im Sommer ging ich oft ins Ritzli, und ich hätte gerne Silvia Buchs. Mich nimmt Wunder, wie sie sich von ausserhalb in Jaun integrieren konnte.

Ich danke Ihnen aufrichtig für dieses überaus interessante und lehrreiche Gespräch !

sr